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Kirchentag und #digitaleKirche

„Trau dem heiligen Geist zu, dass er auch im Digitalen wirkt“

Digitaler Kirchentag

Über 100 Veranstaltungen werden auf dem Ökumenischen Kirchentag 2021 digital durchgeführt

Beteiligte des Netzwerks „#digitale Kirche“ kämpfen dafür, dass das Potential digitaler Anwendungen stärker ins Bewusstsein rückt. Jetzt wird der Kirchentag in großen Teilen digital abgehalten – ein Grund für Dorothee Bär, die Digitalisierungsbeauftragte der Bundesregierung, sich auf dem ÖKT zu äußern. Ihre Worte dürften der "#digitalen Kirche" entegegenkommen.

Rund 100 digitale Veranstaltungen, ein zentraler Live-Stream und ein digitaler Begegnungsort signalisieren, dass die Digitalisierung den Ökumenische Kirchentag 2021 (ÖKT) prägt. Weiterhin bieten auch Kirchengemeinden und christliche Initiativen dezentrale Präsenz-Veranstaltungen vor Ort an. Allerdings hat der Schutz vor Corona der digitalen Ausrichtung Vorschub geleistet. Das bestätigte auch Dorothee Bär, die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, die am Samstagvormittag ins ÖKT-Studio zugeschaltet war.

„Darum prüfe alles und behalte das Gute!“

Welche digitalen Anwendungen nach der Pandemie weitergeführt werden sollen, beantwortete die Politikerin mit ihrer positiven Auslegung eines Bibelzitats (Sir 37, 26): „Darum prüfe alles und behalte das Gute!“ Doch auch die Digitalisierungsbeauftragte hält es für wichtig, sich auch persönlich zu treffen, zu umarmen. Sie geht aber davon aus, dass viele Veranstaltungen auch nach Corona noch digital stattfinden werden. Sie schätzt, dass sich das Verhältnis von Präsenz- und digital durchgeführten Veranstaltungen „so auf 50:50 einpendeln“ werde. Sie nimmt an, dass auch der nächste Kirchentag mit mehren digitalen Elementen stattfinden werde. Dass digitale Möglichkeiten aber auch Risiken bergen, ist der Politikerin bewusst. Deshalb ist von ihr das Zitat überliefert: „Mit der Digitalisierung es wie mit einem Messer: Man kann damit ein Nutellabrot schmieren, aber auch jemanden erstechen. Es kommt auf den Menschen an, der es benutzt.“

Um den positiven Umgang mit den digitalen Möglichkeiten zu stärken, setzen sich auch einige Kirchentags-Veranstaltungen auch inhaltlich mit dem Thema auseinander. Am Samstag tauschen sich Workshop-Teilnehmende beispielsweise über die „#digitalekirche – einmal durchs Netz“ aus.

Auch kirchliche „Digitalos“ brauchen Präsenz-Begegnungen

Zu den Workshop-Anbietenden gehören auch die Instagram-affine Pfarrerin Jessica Hamm und Lutz Neumeier, Social Media Pfarrer der EKHN. Beide gehören zum Kern der Initiative „#digitale Kirche“ und setzen sich seit Jahren dafür ein, dass die Potentiale digitaler Plattformen und Tools für die christliche Verkündigung, Vernetzung und Seelsorge stärker ins Bewusstsein rücken. Wie blicken die beiden Mitglieder der #digitalen Kirche auf den zu großen Teilen digital durchgeführten ÖKT? Pfarrer Neumeier, in Social-Media-Kanälen als @NEUMEdIER unterwegs,  freut sich: „Als Netzwerk `#digitale Kirche´ haben wir noch vor Corona in Vorbereitungsgruppen dafür gekämpft, dass dieser Kirchentag stärke digitale Formate aufgreift. Jetzt geht es in die richtige Richtung, dass es z.B. einen Stream zum Kirchentag gibt. Ich gehe davon aus, dass die künftigen Kirchentage stark von dieser Erfahrung profitieren.“ Dennoch vermisst Pfarrer Neumeier die direkte Begegnung: „Selbst wir Digitalos freuen uns darauf, uns wieder direkt zu treffen. Ich bin nicht dafür, dass sich das Digitale verselbständigt, deshalb plädiere ich für hybride Formate.“ Bei hybriden Formaten werden Präsenz-Veranstaltungen mit digitalen Anwendungen verknüpft; auf Youtube gestreamte Präsenz-Gottestdienste sind ein einfaches Beispiel dafür. Pfarrerin Hamm, die auf Instagram als @kexkruemel aktiv ist, stimmt zu: „Gerade der Kirchentag lebt davon, dass man sich direkt trifft, den Kirchentagsgeist gemeinsam erlebt.“ Sie habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass es einzelne digitale Veranstaltungsformate gebe, die Gemeinschaftserlebnisse ermöglichten.

Analoges und Digitales verbinden, um Kirchenbindung stärken

Apps oder andere Anwendungen bieten aber auch die Chance, Gemeinschaft zu pflegen, Kontakte zu halten. Das erlebt der Social-Media-Pfarrer in seiner Licher Kirchengemeinde: „Es ist wichtig, die Konfirmandinnen und Konfirmanden von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Aber zwischen den Treffen kann ich digital mit ihnen in Kontakt bleiben.“ So habe er gute Erfahrungen dabei gemacht, ihnen Fragen zum nächsten Sonntagsgottesdienst zu stellen, beispielsweise nach ihren Lieblingsliedern. „Dann warten sie im Gottesdienst gespannt darauf, wann ihre Antworten kommen“, so die Erfahrung des Pfarrers. Um Kontakte zu pflegen, seien digitale Plattformen ein großer Schatz, bestätigt auch Jessica Hamm: „Bis heute halte ich per App den Kontakt zu meinen Konfis aus dem Vikariat – obwohl ich heute längst Pfarrerin in einer anderen Gemeinde bin.“ Ihre Followerinnen und Follower auf Instagram gehören altersmäßig genau zu der Gruppe, die verstärkt aus der Kirche austritt. Deshalb plädiert Pfarrerin Hamm dafür: „Es ist unsere Aufgabe dahin zu gehen, wo die Menschen sind – und momentan spielt sich vieles im digitalen Raum ab.“  Diese Auffassung bestätigt Pfarrer Neumeier mit eigenen Erfahrungen: „Wenn mich jemand zwischen Supermarktregalen anspricht, nehme ich mir Zeit für ein Gespräch. Wenn ich auf Instagram angeschrieben werde, ist es genauso.“  

Glaube leben auf Instagram

Pfarrerin Hamm stellt während des ÖKT mit Pfarrer Nico Ballmann die „#instapulse“ am Samstag von 15 bis 17 Uhr vor, ein digitales Andachtsformat auf Instagram. „Als ich am #instapuls zum ersten Mal teilgenommen habe, war ich berührt, beseelt. Mir war klar: Das wollte ich auch anbieten.“ Das Format sei zu Beginn der Corona-Zeit entstanden, als Gottesdienste verboten waren und „viele Leute große Sehnsucht nach Gemeinschaft hatten.“ Während der Instagram-Andacht gibt es eine kurze Bibellesung. Im Anschluss wird darüber gesprochen, wie dieser Bibeltext neue Perspektiven für die gegenwärtige Lebenssituation eröffnen kann. Viele der Teilnehmenden fühlten sich inzwischen bei den „#instapulsen“ aufgehoben, hätten davor aber keinen Bezug zu ihrer lokalen Kirchengemeinde finden können. Über die Fürbitten während der #instapulse könnten Teilnehmenden auch persönliche Anliegen teilen. Pfarrerin Hamm hat bemerkt: „Dadurch entsteht ein Gemeinschaftsgefühl.“ Aufgrund ihrer Erfahrungen mit diesem Format möchte sie ans Herz legen: „Traut dem heiligen Geist zu, dass er auch im Digitalen wirkt.“ Kurz vor dem Start des ÖKT signalisierte Kirchenpräsident Jung, dass er darauf vertraue, "dass wir auch in der medialen Welt die Gegenwart Gottes spüren." 

Darauf vertraut auch Pfarrer Neumeier, der seine „Wochenworte“ regelmäßig auf dem Instagramkanal ekhn.gemeinsam veröffentlicht und sich für das Twitter-Abendgebet #twomplet begeistert. 

Großer Seelsorgebedarf

Allerdings lassen einige der persönlichen Fürbitten, aber auch andere Beiträge, auf einen großen Seelsorge-Bedarf schließen. „Per Privatnachricht können mich die Menschen anschreiben“, berichtet Jessica Hamm. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass der schriftliche Austausch oft weiterhelfe. In einzelnen Fällen komme das Medium aber an seine Grenzen. Bei diesen Ausnahmen lädt die Pfarrerin die oder den Betreffenden zu einem Video-Telefonat ein, bei dem die Anliegen persönlich besprochen werden können. 

Medienpädagogik: kreative und nachhaltige Auseinandersetzung mit christlichen Themen

Gerade im religionspädagogischen Bereich sieht Pfarrer Neumeier große Chancen und bietet deshalb einen Workshop über digitale Tools in kirchlicher Arbeit mit Jugendlichen am Samstag von 15-17 Uhr an. Seine Erfahrung ist: „Wenn ich zum Beispiel digitale Videos im Konfiunterricht drehen lasse, wird dadurch die Lebenswelt der Jugendlichen aufgegriffen. Zudem werden sie motiviert, nicht nur passiv zu konsumieren, sondern produktiv zu werden und sich kreativ mit christlichen Themen auseinander zu setzen.“ Tatsächlich hat er erlebt, dass diese Inhalte länger präsent bleiben: „Eine ehemalige Konfirmandin hatte das Video aus dem Konfiunterricht noch vier Jahre später auf dem Handy und hat es begeistert gezeigt.“ 
Auch die Digitalisierungsbeauftragte der Bundesregierung, Dorothee Bär, nimmt wahr, dass Jugendliche sich interessiert der Digitalisierung öffneten, selbstverständlich mit digitalen Anwendungen umgingen. Vor allem Eltern würden Vorbehalte äußern, sie stellten in Frage, ob es gut für die Kinder sei, wenn sie sich den ganzen Tag mit „dem digitalen Klump“ beschäftigen. Dabei hätten Mütter und Väter zunehmend erlebt, dass ihr Kinder mit Hilfe digitaler Anwendungen „spannende Projekte durchführen, Filme drehen, ganz andere Präsentationen erstellen.“ Diese Ergebnisse würden von vielen Eltern bewundert und sie bemerkten, „dass sich mit dem Gerät auch etwas Sinnvolles tun lässt.“ 

Künftiger Stellenwert des Digitalen in der Kirche

„Wir sind froh, dass das Digitale in der Kirche angekommen ist“, freut sich Lutz Neumeier. Allerdings stelle sich die Frage, ob das nach der Corona-Zeit auch so bleibe. Der Social-Media-Pfarrer fragt sich: „Wir haben viel gelernt über digitale Konfiarbeit, digitale Verwaltung, Meetings und Video-Gottesdienste. Was davon werden wir in die Zeit nach Corona hinüberretten?“ Pfarrer Neumeier erinnert: „Während der Digital-Gottesdienste haben wir andere Leute als mit Präsenz-Gottesdiensten angesprochen. Ich hoffe, dass wir die digitalen Möglichkeiten für die Arbeit vor Ort weiter nutzbar machen, damit wir nicht diejenigen wieder verlieren, die bei uns online reingeschaut haben.“ Dabei ist ihm bewusst, dass digitale Angebote ausreichend Ressourcen benötigen. Pfarrer Neumeier empfiehlt: „Wenn wir Neues anfangen, müssen wir manchmal Altes lassen. Jede Gemeinde kann nun genau hinschauen, welche traditionellen Angebote während der Corona-Zeit nicht vermisst wurden. Dann eröffnen sich neue Chancen!“

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